Das Alten- und Pflegegesetz in NRW erntet seit Jahren deutliche Kritik seitens der Träger, Investoren und Betreiber. Das Ministerium hat einen Bericht vorgelegt, in dem wesentlich Änderungen angesprochen werden. Nun setzt die nächste Diskussion ein – wie hier beim 2.soleo-Dialogforum in Düsseldorf mit Dirk Suchanek (Foto) vom MAGS. Dazu ein Kommentar von Jan Grabow (Curacon).
Am 19. November hat sgpREPORT-Online über den Bericht zur „Überpnrüfung der Wirkungen des Alten- und Pflegegesetzes (APG NRW) sowie der APG DVO“ berichtet, den NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) dem Landtag vorzulegen hatte. Die 331 Seiten Studie plus Bericht zur Bemessung der Angemessenheitsgrenzen und deren Verteilzeiträume für voll- und teilstationäre Pflegeeinrichtungen finden Sie dort im Anhang.
Die Bewertung der APG DVO
Vertieft und diskutiert wurde die Bewertung von APG und APG DVO seitens des Ministeriums beim 2.soleo-Dialogforum in Düsseldorf. Dirk Suchanek, Referatsleiter Pflege im Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales NRW (MAGS): „Wir haben einen Vorschlag vorgelegt, der die Interessen der Vermieter von Pflegeimmobilien stärker berücksichtigt.“ Die weitaus größte Herausforderung für die Altenpflegebranche sehe das Ministerium im Mangel an Pflegefachkräften und nicht in den Vorgaben der APG DVO. „Wir gehen davon aus, dass Pflegeheime in NRW auskömmlich finanziert sind“, sagte Suchanek. NRW sei das Bundesland mit den höchsten Heimentgelten. Pflegeheime in Nordrhein-Westfalen hätten laut Pflegeheim Rating Report 2020 mit einer Ausfallwahrscheinlichkeit von 0,35% zusammen mit Sachsen-Anhalt und Thüringen deutschlandweit das geringste Insolvenzrisiko (Vgl.: Gesamtwirtschaft Deutschland 1,4%). Man können unter den gegebenen Bedingungen in der Pflege sehr wohl Geld verdienen: „Der durchschnittliche Jahresüberschuss in Nordrhein-Westfalen liegt laut Pflegeheim Rating Report 2020 bei 1,84% der Erlöse und damit im deutschlandweiten Vergleich im Mittelfeld.“ Deutsche Sparkassen würden im bundesdeutschen Durchschnitt von einer Nettoumsatzrendite von 3,5% des Umsatzes bei stationären Pflegeeinrichtungen ausgehen. Von November 2014 bis Juli 2019 seien 320 neue Tagespflegen und 130 vollstationäre Dauerpflegeeinrichtungen (davon 118 im Mietmodell) mit 9.150 Plätzen in Betrieb gegangen. „Das zeigt doch, dass trotz aller Kritik an APG DVO weiterhin in Pflegeeinrichtungen in NRW investiert wird“, folgerte Suchanek.
Keine Änderungen am APG, Änderungen nur an der DVO
Der MAGS-Bericht greift laut Suchanek Maßnahmen auf, die als erforderliche Änderungen an der DVO gesehen würden. Dazu zählen:
- Ersatz virtueller Konten – Sonstiges Anlagevermögen durch direkte Refinanzierung der tatsächlich entstandenen Aufwendungen (Abschreibungen, Instandhaltung, Instandsetzung, Leasing).
- Bestandsschutzregelung im Mietmodell wird verbessert. Eine zusätzliche Einführung einer „Investorenschutzregelung“ ist beabsichtigt. Dabei werden auch Renditeerwartungen des Vermieters berücksichtigt.
- Zusätzlich Erleichterungen für „Härtefälle“ (Betriebsüberlassungen, vorzeitige Antragstellungen) geplant.
- Ergebnisse einer Studie zur Refinanzierung der Kosten für das langfristige Anlagevermögen werden umgesetzt: Angemessenheitsgrenzen erhöht um 11,28%auf 2.378,16 €/qm für vollstationäre und um 8,18% auf 1.948,01 €/qm für teilstationäre Einrichtungen. Zusätzlich 100 € je qm bei einer Zentralküche zur Versorgung der Bewohner in dem Gebäude.
- Vorgesehen sei eine stärkere Betonung der Einzelfallprüfung der Angemessenheitsgrenzen.
- Absenkung Mindestbelegung für die Kurzzeitpflege auf 70%.
- Der Bericht liegt dem Landtag nun vor. Die Änderungsverordnung wird laut Suchanek jetzt parallel erarbeitet. Eine Verbändeanhörung nach Kabinettsbeschluss könne vermutlich im Januar 2020 stattfinden. Suchanek hält ein Inkrafttreten zum 1.5.2020 für möglich.
Nutzungszeitraum 50 Jahre weiter umstritten
Harsche Kritik äußerten alle Vertreter unterschiedlicher Banken, für die der fixierte Nutzungszeitraum der Pflegeimmoblien von 50 Jahren eine solide Finanzierung unmöglich mache. Suchanek dazu: „Wir gehen davon aus, dass Backsteine 50 Jahre halten. Es geht um Nutzungsmöglichkeit für den Pflegebedürftigen, Modernisierung und Instandhaltung werden gesondert refinanziert.“ Widerspruch der Banker: Eine vereinbarte Finanzierung, basierend auf einem befürworteten Geschäftsmodell von Pflege und Betreuung, würde niemals 50 Jahre Bestand haben. Sie machten zudem deutlich, dass eine Verunsicherung der Betreiber und Investoren, die wegen der politisch-rechtlichen Rahmenbedingungen in NRW unter Druck kommen, zu einem spürbar wachsenden Risiko auf der Bankenseite führe, das abgesichert werden müsse.
Was bedeuten die Änderungen? Ein Kommentar
Jan Grabow von der Curacon GmbH beobachtet seit Jahren die Auswirkungen der APG DVO. Seine ausführliche Einschätzung: „Das MAGS strebt an, in der ersten Sitzung des Kabinetts in 2020 die Billigung zur Einleitung der Verbändeanhörung zum Entwurf der Änderungsverordnung zur APG DVO zu bekommen. Neben dem Entfall der Pflicht zur Führung der virtuellen Konten nach § 4 APG DVO ist insbesondere die deutliche Anhebung der Angemessenheitsgrenzen bemerkenswert.
Es bleibt abzuwarten, wie das MAGS die Abschaffung des virtuellen Kontos für das sonstige Anlagevermögen (§ 4 APG DVO NRW) und Umstellung auf eine Refinanzierung der tatsächlich entstandenen Aufwendungen für das sonstige Anlagevermögen auf der Grundlage der nachzuweisenden Abschreibungen, Leasing-Raten und entstandenen Wartungsaufwendungen für sonstiges Anlagevermögen im Rahmen der Novellierung der APG DVO ausgestalten wird.
Unter typisierten Annahmen führen die Anpassungen der in § 2 Abs. 2 und § 21 Abs. 1 Nr. 1 APG DVO definierten Angemessenheitsgrenzen für Neubauprojekte im Mietmodell mit der sog. fiktiven Vergleichsberechnung bei Einrichtungen mit Küche zu einem I-Kostensatz von 23,44 Euro/Tag (ohne Küche: 22,54 Euro/Tag).
Es ist davon auszugehen, dass sich diese Anhebung der Angemessenheitsgrenzen auch positiv für Bestandseinrichtungen auswirken wird. Dies betrifft zum einen laufende Bauprojekte. Zum anderen wird sich diese Anhebung der Angemessenheitsgrenzen auch in der Indexierung der Refinanzierung von Aufwendungen nach §§ 4 und 6 APG DVO in Eigentümer- und Mietmodellen niederschlagen.
Ausgehend von den gutachterlich ermittelte Werten erhöhen sich ab 2020 die Angemessenheitsgrenzen je qm NGF für die Instandhaltung der langfristigen Anlagegüter § 6 APG DVO ausgehend von einem aktuellen Wert von € 20,48 in 2019 auf € 24,65 mit Küche (ohne Küche € 23,66). Zum Tragen kommen diese deutlich erhöhten Werte der Angemessenheitsgrenzen für Bestandseinrichtungen in Mietmodellen erst bei der Folgebeantragung für den Zeitraum 2021/2022. Nach der Verlängerung der Laufzeiten der I-Kostenbescheide durch das 2. Änderungsgesetz des APG bis 31.12.2021 kommen diese Werte bei Eigentümermodellen erst für den Zeitraum 2022/2023 zum Tragen.
Eine vorzeitige Beantragung ist nach § 22 Abs. 2 APG allerdings nur dann möglich, wenn es zu Veränderungen der ordnungsrechtlich nutzbaren Platzzahl der Einrichtung kommt, oder zu Modernisierungen, Ersatzneubauten oder ähnlichen Maßnahmen kommt oder gekommen ist, die eine Veränderung der Berechnungsgrundlagen begründen. Für Einrichtungen, die bereits über einen Bescheid nach APG verfügen, kann auch ein Antrag auf Erteilung eines neuen Bescheides gestellt werden, wenn eine Mieterhöhung erfolgt und diese Auswirkungen auf die anerkennungsfähigen Kosten hat.“
Trotz aller Kritik: „Nach Auffassung des Ministeriums sind mit diesen Änderungen die finanziellen Rahmenbedingungen für ein bedarfsgerechtes Wachstum der Pflegeinfrastruktur in NRW vorhanden“, ist Suchanek überzeugt. Man wird sehen.
Autor: Holger Göpel