Düsseldorf Wer im Alter einen stationären Heimplatz sucht, steht unter Druck. Mehr Plätze gibt es im Ruhrgebiet, doch kaum ein Senior will sein Düsseldorfer Umfeld verlassen.
In zweieinhalb Wochen öffnet das neu gebaute Tersteegen-Haus der Diakonie. „Die Interessenten haben uns im Vorfeld fast die Türen eingedrückt“, sagt Diakonie-Pfarrer Thorsten Nolting. Eine Zuspitzung. Aber eine, die ziemlich nah an der Wirklichkeit ist. 90 Frauen und Männer werden in das Golzheimer Pflegeheim einziehen, noch einmal 100 Menschen mehr könnten es sein, denn so viele stehen auf der Warteliste. „Fehlende Pflegeplätze sind mindestens ein so heikles Thema wie fehlende Kita-Plätze. Sie sind ein hemmender Faktor für eine prosperierende Stadt“, meint Caritas-Chef Henric Peeters. Die wichtigsten Fakten im Überblick.
Das Defizit Die Ämter für Soziales und Statistik haben ausgerechnet, dass 2020 rund 5900 Plätze vorgehalten werden müssen. „Aktuell verfügen wir über 4745 Plätze. Es fehlen also etwa 1150 Plätze“, sagt Sozialamtsleiter Roland Buschhausen. Zusätzlich zum Tersteegen-Haus seien weitere 550 Plätze zumindest in Planung. Damit würde sich das Defizit im Laufe der kommenden Jahre zumindest halbieren. „Am Ende wird aber eine Lücke von gut 500 Plätzen bleiben, das entspricht mehr als sechs Einrichtungen von normaler Größe“, ergänzt Buschhausen.
Die Grundstücke Die Gründe für den Engpass sind vielfältig. „Wer ein Grundstück kauft, kann die dafür aufgewandte Summe nicht über Landes- und andere Mittel refinanzieren“, sagt Peeters. Der Träger müsste also den Preis für die Betreuung verteuern. Mit der Folge, dass sich selbst betuchtere Selbstzahler einen Platz im Heim einfach nicht mehr leisten könnten. Die Träger können Einrichtungen deshalb nur auf eigenen Grundstücken errichten. Oder sie finden kreative Lösungen wie beispielsweise Erbpacht-Modelle. Die Kosten sind hier – anders als beim Kauf – refinanzierbar. Stadt und Caritas haben zuletzt beim Ludgeri-Quartier in Bilk ein solches Modell vereinbart.
Die Gesetze Das Land schreibt vor, dass ein neues Heim nur 80 Zimmer haben darf. Ausnahmen sind möglich, wenn beispielsweise zusätzlich Kurzzeitpflegeplätze eingerichtet werden. Außerdem wird dort eine Einzelzimmerquote von 100 Prozent vorgeschrieben. Auch ältere Häuser müssen mindestens 80 Prozent Einzelzimmer vorweisen. Deshalb werden dort immer wieder Doppel- in Einzelzimmer umgewandelt, was das Platzangebot mindert. Die meisten Praktiker halten von diesen Vorgaben nichts. „Kleine Häuser rechnen sich betriebswirtschaftlich schlechter. Und weil weniger Mitarbeiter im Einsatz sind, schlagen die Probleme – beispielsweise bei Krankmeldungen – viel stärker durch“, sagt Wera Steffens, die das Caritas-Altenzentrum Herz Jesu in Flingern leitet. Ihr Haus zählt mit 183 Plätzen zu den großen. „Es kommt doch auf die Bauweise und die Gestaltung der einzelnen Bereiche an, die absolute Zahl sagt am Ende nichts“, meint Steffens. Die Nöte derer, die dringend einen Platz suchen, kennt sie. „Der Bedarf kommt ja meist plötzlich – nach einem Schlaganfall oder Infarkt. Oft habe ich sieben oder acht Anfragen zur gleichen Zeit und kann ad hoc nur einen Platz anbieten.“
Das Personal Dass sich die Situation in Düsseldorf entspannt, ist noch aus einem anderen Grund unwahrscheinlich. „Selbst wenn wir die 1000 Plätze sofort verfügbar hätten, würden wir wohl kaum das dafür benötigte Pflegepersonal finden, der Fachkräftemangel ist spürbar“, sagt Nolting. Von der Ansage, sich doch im Ruhrgebiet umzuschauen, weil es dort Überkapazitäten gebe, hält der Diakonie-Pfarrer nichts. „Kaum ein Senior will sein Umfeld verlassen und ich würde auch nicht dazu raten.“
Quelle : Rheinische Post
Author : Jörg Janssen
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