Überraschend wertgeschätzt: Potenzial von Organisation und Führung – Ab wann sich Pflegekräfte einen Wiedereinstieg und Stundenerhöhung vorstellen können

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Anders als es bisherige Studien nahelegten (hier geht es zu unserem letzten Beitrag zum Thema [über die Online-Befragung von Pflegepersonen der stationären Langzeitpflege von „Altenpflege im Fokus 2021“]), ist es nicht hauptsächlich das fehlende Mehr an Personal, das Pflegekräfte von einem Wiedereinstieg oder einer Aufstockung ihrer Stunden abhält. Dies zeigen neu erschienene Befragungsergebnisse von Pflegefachkräften in Deutschland. 

Die Arbeitnehmerkammer Bremen, das Institut Arbeit und Technik Gelsenkirchen und die Arbeitskammer des Saarlandes bieten in einem Kooperationsprojekt die „Ich pflege wieder, wenn …“ – Potenzialanalyse zur Berufsrückkehr und Arbeitszeitaufstockung von Pflegefachkräften.

Die bundesweite Online-Befragung knüpft an die gleichnamige Bremer Pilotstudie an, vertieft einzelne Bereiche und zeigt durch 12.684 auswertbare Antworten aus 2021 erstmals das Potenzial auf, das offenkundig bei ausgestiegenen Pflegekräften in der Langzeit- und Krankenpflege in Deutschland besteht, neben dem Potenzial in aufstockenden Teilzeitkräften. Die in der Bremer Befragung herausgestellten, wichtigsten Arbeitsbedingungen wurden von den Befragten nach ihrer Priorisierung sortiert. So konnten Potenziale in Arbeitsbedingungen entschlüsselt und Handlungsempfehlungen formuliert werden.

Unter den zehn wichtigsten Arbeitsbedingungen (für alle Teilgruppen) befinden sich die Kategorien „Berufliches Selbstverständnis und Anerkennung“ und die Themen „Organisation und Führung“. So wurde das faire Miteinander unter den Kolleg/innen und eine wertschätzende Führung als klare Voraussetzungen gesehen – diese wurde noch höher angesehen als verbindliche Dienstpläne und verbesserte Gehaltschancen durch Fort- und Weiterbildung.

Die aus der Befragung hervorgegangenen wichtigsten zehn Arbeitsbedingungen lauten konkret:

  1. Fairer Umgang unter Kolleg/innen (97,4 %)
  2. Vorgesetzte, die wertschätzend und respektvoll sind (96,5 %)
  3. Bedarfsgerechte Personalbemessung (95,1 %)
  4. Vorgesetzte, die sensibel für meine Arbeitsbelastung sind (94,4 %)
  5. Nicht unterbesetzt arbeiten müssen (92,8 %)
  6. Mehr Zeit für menschliche Zuwendung (92,7 %)
  7. Vereinfachte Dokumentation (91,0 %)
  8. Verbindliche Dienstpläne (89,1 %)
  9. Augenhöhe gegenüber der Ärzteschaft (89,1 %)
  10. Fort-/Weiterbildung = höheres Gehalt (88,9 %)

Ferner kristallisierte sich die Sicherstellung ausreichender Zeit für die Pflege heraus, wie sie durch eine bedarfsorientierte Personalbemessung, Tarifbindung, höhere Bezahlung und verbindliche Arbeitszeiten hergestellt wird. In Relation zum Rest erscheint den Befragten am unwichtigsten zu sein, beruflich aufzusteigen, Erlebnisse während der Arbeitszeit psychisch verarbeiten zu können, sowie betriebliche Mitsprache und Interessenvertretung.

Insgesamt stehen fast die Hälfte der Teilzeitkräfte einer Stundenerhöhung und circa 60 Prozent der ausgestiegenen Pflegekräfte einem Wiedereinstieg zugeneigt gegenüber (Angabe ab einer „6“ auf einer Skala von 1 bis 10). Die Bereitschaft für eine Aufstockung besteht im Median bei wöchentlich zehn Stunden, bei einem Wiedereinstieg bei wöchentlich 30 Stunden.

Die gewonnenen Er­kennt­nisse ermöglichen die Einschätzung des unausgeschöpften Potenzials in ausgestiegenen Pflegekräften und der Bereitschaft der Stundenerhöhung bei Teilzeitkräften und unterstützen die Dring­lich­keit, den Ansprüchen der Pflegekräfte durch eine sensible Führungskultur und einen wertschätzenden und somit nachhaltigen Personaleinsatz gerecht zu werden.

Vor dem Hintergrund des neuen Personalbemessungsinstruments ab Juli 2023 gilt es jetzt, die Weichen für zukünftig attraktivere und gleichzeitig tragbare Arbeitsbedingungen in der Pflege zu stellen und qualifiziertes Personal zu binden.

Die Potenzialanalyse „Ich pflege wieder, wenn…“ ist HIER abzurufen.