Vereinbarkeit von Beruf und Pflege – Herausforderungen der Zukunft

Zurück zu Aktuelles

Viele Menschen pflegen neben ihrer Berufstätigkeit ihre Angehörigen und erbringen in einem täglichen Spagat den Versuch, beides miteinander zu vereinbaren.

Die geschäftsführende Vorständin des Selbsthilfenetzwerks „wir pflegen!“ sagt: „Angehörige baden den Pflegenotstand aus und springen ein, wenn keine professionelle Pflege verfügbar ist. Elternpflege wird zunehmend einen großen Teil der Arbeitnehmer binden.“

In NRW haben rund 1,2 Millionen Menschen einen Pflegegrad, das sind 6,6% der Bevölkerung. Davon leben 86% zuhause, 63% werden ausschließlich durch Angehörige gepflegt.

Laut dem „Frauenhofer Institut zur informellen Pflege“ waren bundesweit rund 5 Millionen Menschen bei einer Erhebung im Jahr 2020 in die Betreuung und Versorgung einer pflegebedürftigen Person eingebunden. Von den Erwerbstätigen verbrachten rund 45% mindestens 10 Stunden wöchentlich mit Pflegetätigkeiten bei Angehörigen.

https://www.fit.fraunhofer.de/de/presse/23-11-30_aktualisierung-der-daten-zur-informellen-pflege.html

Um pflegende Angehörige zu unterstützen und zu entlasten, fordert Frau Hütte-Schmitz eine Pflegewende und den Ausbau von Tagespflegeplätzen. Bundesweit gab es 2021 rund 96.500 Plätze für etwa 4,2 Millionen Menschen, die zuhause gepflegt werden, das entspricht einem Versorgungsgrad von 2,3%. „Was wäre im Land los, wenn wir nur für 2,3 Prozent der Kinder einen Kitaplatz hätten?“ fragt Hütte-Schmitz.

Der Vorstand der Alzheimergesellschaft Mülheim an der Ruhr, Peter Behmenburg, sieht das ähnlich: „So wie es einen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung gibt, muss es auch einen Rechtsanspruch auf Tagespflege geben, anders funktioniert das nicht.“

Denn wenn pflegende Angehörige im Beruf reduzieren oder sogar aussteigen, ist das aufgrund des Fachkräftemangels volkswirtschaftlich katastrophal. Es gibt Arbeitgeber, die Verständnis für die Situation ihrer Mitarbeitenden haben, dabei hilft beispielsweise das Landesprogramm „Vereinbarkeit Beruf & Pflege“ in NRW, dem schon rund 300 Betriebe angehören.

(Rheinische Post: „Die Situation für pflegende Angehörige ist katastrophal“ vom 15.04.2024)

Der berechtigten Forderung nach Ausbau von Tagespflegeangeboten, der in vielen Kommunen durch hohes Engagement der Anbieter inzwischen nachgekommen wird, steht gegenüber, dass Plätze freibleiben, wodurch die Wirtschaftlichkeit dieser Angebote gefährdet wird. Der Grund liegt u.a. zum einen in der fehlenden Information vor Ort speziell für die Zielgruppen und zum anderen an der Finanzierungssystematik bei Inanspruchnahme. Die Eigenmittel für die NutzerInnen sind hierbei nicht unerheblich. Daher wird in der Regel das Angebot trotz höherer Bedarfe in der Entlastung von Angehörigen nur 1-2x wöchentlich beansprucht. Je höher die Tagessätze steigen desto eher wird das Angebot noch seltener genutzt. Um die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege an den tatsächlichen Bedarfen zu orientieren, braucht es nicht nur die quantitative Erweiterung, sondern vor allem ein bezahlbares Angebot, d.h. veränderte Finanzierung mit Senkung des Eigenanteils.

Wichtig ist jedoch immer eine genaue Standortanalyse zum Bedarf in diesem Orts- oder Stadtteil, in diesem konkreten Quartier, um die aktuelle und voraussichtlich zukünftige Nachfrage zu kennen. Aber auch eine für die Zielgruppe attraktive bauliche Umsetzung mit interessanten und vielfältigen Angeboten des Betreibers scheint großen Einfluss auf das Interesse der Menschen zu haben.